Liebe Silke,
nun ist es schon das dritte Jahr, dass wir Weihnachten ohne Dich begehen müssen.
In der für uns sehr emotionalen Vorweihnachtszeit kreisen in uns die unterschiedlichsten Gedanken, Augenblicke und Erinnerungen an Dein Leben und Wirken.
So lässt uns auch die Geschichte, welche Du vor vielen Jahren für die Hochzeitszeitung Deiner Schwester ausgewählt hattest, nicht mehr los.
Bei dieser Erzählung ging es um eine Insel, auf der alle Gefühle der Menschen lebten, z. B. die gute LAUNE, die TRAURIGKEIT, das WISSEN, der STOLZ, die ZEIT . . . und unter anderem auch die LIEBE.
Als die Insel zu sinken drohte, machten sich alle Gefühle mit ihren Schiffen nacheinander auf den Weg, um sich in Sicherheit zu bringen. Einzig die LIEBE wollte bis zum letzten Augenblick warten. Weil sie keine eigene Möglichkeit besaß, die Insel zu verlassen, bat sie die vorbeiziehenden Gefühle, sie mitzunehmen. Doch jedes der Gefühle hatte einen anderen fadenscheinigen Vorwand, um sie im Stich zu lassen.
Nur ein weiser Alter − die ZEIT − rettete schließlich die LIEBE.
Weil nur die ZEIT versteht, wie wichtig die LIEBE im Leben ist.
Wenn die Liebe vergeblich wartet, wenn sie hinten anstehen muss und sie stets auf die Zeit verwiesen wird und auf sie hofft, ist es nicht das, was Du selbst erlebt hast? Wie oft wurden Deine Gefühle verletzt? Wie viele unzählige Lügen und Ausreden musstest Du ertragen? Du hast Dich oft zurück- und sehr viel Rücksicht auf andere genommen. Und die anderen? Haben sie nicht selbstsüchtig gehandelt? Mit übergroßem Ego nur die eigene Situation und ihren Vorteil im Blick gehabt? Solltest Du über bestimmte Umstände nicht öffentlich reden, weil die Zeit Dir als Helfer versprochen worden war? Doch die Zeit sollte Dein Helfer nicht sein.
Rücksichtslosigkeit und Eigennutz begegnen uns oft im Leben. Sie gefährden den Frieden und beschädigen das Vertrauen. Das eigene Verhalten zu hinterfragen, sich zurück- und die Mitmenschen mehr in den Blick zu nehmen, auch dazu kann die Adventszeit Anlass sein.
Nachdem und wie wir Dich verloren haben, können wir noch keinen Frieden finden, das Vertrauen in manche Menschen ist uns abhanden gekommen und für die Liebe fehlt uns oft die Kraft.
Mit der Erzählung „Die vier Kerzen“ wünschen wir uns und allen Betroffenen, die ihnen nahestehende geliebte Menschen verloren haben bzw. andere schwere Schicksalsschläge erleiden mussten, dass trotz allem die FLAMME DER ZUVERSICHT nicht erlischt und innerer Frieden, Vertrauen und die Liebe wieder in uns leuchten.
Wir vermissen Dich unendlich
Deine Dich liebende Familie
Die vier Kerzen
Vier Kerzen brannten am Adventskranz. Es war still. So still, dass man hörte, wie die Kerzen zu reden begannen.
Die erste Kerze seufzte und sagte: “Ich heiße FRIEDEN. Mein Licht leuchtet, aber die Menschen halten keinen Frieden, sie wollen mich nicht.”
Ihr Licht wurde immer kleiner und verlosch schließlich ganz.
Die zweite Kerze flackerte und flackerte und sagte: “Ich heiße VERTRAUEN.
Dennoch bin ich von allen am verletzlichsten. So wäre es vergeblich, wenn ich versuche, weiter zu brennen.” Ein Luftzug wehte durch den Raum und brachte die Kerze zum Erlöschen.
Leise und sehr traurig meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort: “Ich heiße LIEBE. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen, denn die Menschen schieben mich beiseite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie lieb haben sollen.
Kurz darauf kam ein Kind ins Zimmer und sah, dass die drei Kerzen ausgegangen waren. Da war es sehr betrübt und fragte traurig: „Oh, warum brennt ihr denn nicht mehr?“
Da meldete sich auch die vierte und letzte brennende Kerze zu Wort:
“Hab’ keine Angst! Ich bin die ZUVERSICHT. Solange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden.“
Sogleich nahm das Kind mit leuchtenden Augen die Kerze der Zuversicht und zündete vorsichtig Kerze für Kerze wieder an.